Lisa Herfeldt

Dream Home Heartache

06.05. – 04.06.2017

Der Titel der Ausstellung von Lisa Herfeldt greift einen Song der mondänen Glam-Rock Kombo Roxy Music aus den 70ern auf, eine Zeit, in der nicht nur in der Musik Form- und Stilfragen wesentlich wurden. Es kam darauf an, das Nichtauthentische zu gestalten und mit den richtigen Ideen zu unterfüttern. „Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie.“ hieß das zugespitzte Credo, formuliert von Thomas Meinecke in der Zeitschrift Mode & Verzweiflung. Das Ja zur modernen Welt erschien dabei vorübergehend als die denkbar größte Möglichkeit zu politischer Dissidenz. Nun geht es Lisa Herfeldt mitnichten um eine vordergründige Bebilderung der Liedzeilen Brian Ferrys, wenngleich durchaus hiermit ein unterlegter Tenor angesprochen ist, der auch die Künstlerin umtreibt: ‚Wie wollen wir leben?‘ – könnte die abzuleitende epochenübergreifende Fragestellung vielleicht lauten. Nun werden wir Gott sei Dank mit dieser nachgerade existentiellen Problematik nicht alleine gelassen, liefert uns doch die Bewusstseinsindustrie einen unerschöpflichen Quell von Lifestyleangeboten. Aus eben diesen Wohn- und Komfortzonenmagazinen bedient sich Lisa Herfeldt für ihre künstlerischen Formfindungsprozesse.
Während Brian Eno weiterhin am Ambient-Sound tüftelt, ergänzt Lisa Herfeldt die formvollendeten sterilen Hochglanz Interieurs mit flauschig anmutenden, Ton in Ton gehaltenen textilen Wurmfortsetzungen. Somit greift Herfeldt den allgemeinen Kummer auf und macht ihn fest an der Diskrepanz zwischen einer zwar luxuriös, aber steril erscheinenden Innenraumgestaltung zu einer organischen Nest-Wohligkeit in einem gepolsterten Kuschelparadies. Stellvertretend fungieren die wattierten Ergänzungen daher als eine Form textiler Gegenarchitektur, mit der wir ohnehin unsere kantigen Wohnlandschaften auszustatten belieben. Mit unseren Polstern, Kissen und Decken jedweder Form und Farbe bringen wir nicht zuletzt unsere Stimmungen, Bedürfnisse, Sehnsüchte und Emotionen, unser ‚Körperwissen‘ hinein in den rationalistischen Architekturdiskurs. Hier trifft das Stahlrohrmöbel als Stilikone auf das Lotterbett. Als nahezu optimale Behausung könnte daher der Schlafsack gelten, bietet er doch Schutz und Wärme und passt sich jeder Bewegung klaglos an. Eher notdürftig zwingt Lisa Herfeldt ihre Bildobjekte in ein Plexiglasgehäuse als Raum im Raum. Da ihre textilen Plastiken jedoch mit Eigensinn behaftet sind, wuchern sie mühelos aus diesen mehr als durchsichtigen Zwängen hervor.
Der spielerisch konzeptuelle Ansatz Lisa Herfeldts ist bewusst ambivalent, um im Bild zu bleiben, also zwischen den Stühlen angesiedelt. Weniger das jeweils verwendete Medium steht bei Herfeldt im Vordergrund, viel eher die Dringlichkeit des Anliegens. Dieses zielt auf einen selbstbestimmten, kritischen und kreativen Umgang mit unseren Symbolen, Werten und Vorbildern, verbunden mit der Einladung zum kommunikativen Austausch über uns und unsere Welt. Verhandelt werden das Wissen, die Macht und die Subjektwerdung des Menschen. Der Logik der Systeme und dem universellen Verblendungszusammenhang gilt es pointiert entgegenzutreten und spielerische Freiräume des offenen menschlichen Umgangs miteinander einzufordern. Herfeldt folgt dabei einer seit längerem vorherrschenden Tendenz zur Entgrenzung und Hybridisierung der Medien, sowie zur Psychologisierung der ästhetischen Wahrnehmungserfahrung. Auf den ersten Blick handelt es sich bei ihren Objekten um rätselhafte Gebilde mit unklarer Formenstruktur. Auf den zweiten Blick erkennt – oder vorsichtiger formuliert, erahnt man ein komplexes System von bildimmanenten Relationen auf verschiedenen Ebenen.
Befragt wird etwa das Niemandsland zwischen Innen und Außen, zwischen öffentlichem und privatem Raum, zwischen gesellschaftlicher Relevanz und individuellem Standpunkt. Die Kunst operiert in den Verhältnissen, in die sie eingelassen ist. Es erscheint daher mehr als angebracht, die künstlerische Arbeit in einen sozialen und politischen Zusammenhang zu stellen und dabei trotzdem innerhalb eines autonomen künstlerischen Raumes zu bleiben – etwa einen Raum zu schaffen, den das Subjekt als Erweiterung seines eigenen Körpers verstehen kann. Doch Vorsicht! Das Ergebnis könnte einer Gummizelle frappierend ähnlichsehen. Dieser Wahnsinn hat hier jedoch Methode.